Cost of Risk Entwicklung über Konjunkturzyklen mit Treiberfaktoren
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Cost of Risk Treiber und Konjunkturzyklen verstehen

Erfahren Sie, welche Faktoren Cost of Risk beeinflussen und wie Risikokosten im Konjunkturzyklus schwanken. Strategische Steuerung für Ihr Risikomanagement.

BanktrackPRO Team
7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4.11.2025
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Cost of Risk schwankt mit der Konjunktur.

Kein Risikoindikator reagiert sensibler auf wirtschaftliche Veränderungen. Diese Kennzahl spiegelt makroökonomische Risiken direkt wider.

Wer CoR-Treiber versteht, kann Risiken frühzeitig steuern. Das macht den Unterschied zwischen stabilen und volatilen Ergebnissen.

Haupttreiber der Risikokosten

Mehrere Faktoren beeinflussen Cost of Risk gleichzeitig.

Die wichtigsten Treiber lassen sich in makroökonomische und portfoliospezifische Faktoren unterteilen. Beide wirken oft zusammen und verstärken sich gegenseitig.

Makroökonomische Treiber:

  • BIP-Wachstum: Negative Wachstumsraten erhöhen Ausfallrisiken
  • Arbeitslosenquote: Jeder Prozentpunkt mehr treibt Retail-CoR um 10-20 bps
  • Zinsniveau: Steigende Zinsen belasten hochverschuldete Schuldner
  • Immobilienpreise: Sinkende Preise reduzieren Sicherheitenwerte
  • Wechselkurse: Relevant für Kredite in Fremdwährung

Portfoliospezifische Treiber:

  • Branchenkonzentration: Hohe Exposure in zyklischen Sektoren erhöht Risiko
  • Regionale Konzentration: Abhängigkeit von Regionalwirtschaft
  • Produktmix: Unbesicherte Kredite haben höhere CoR
  • Kundensegmente: Corporate-Kredite volatiler als Retail
  • Sicherheitenquote: Gut besicherte Portfolios senken CoR um 20-40%

Banken haben auf makroökonomische Faktoren keinen Einfluss.

Sie können aber ihr Portfolio aktiv steuern. Diversifikation nach Branchen, Regionen und Produkten reduziert Konzentrationsrisiken. Eine Bank mit 30% Exposure in Immobilien trägt höheres Risiko als eine mit 10%.

Zeitliche Dynamik der Treiber:

  • Kurzfristig (0-6 Monate): Bonitätsverschlechterungen, Stage-Transfers
  • Mittelfristig (6-18 Monate): Konjunkturelle Entwicklung, Zinsentwicklung
  • Langfristig (1-3 Jahre): Strukturelle Portfolioqualität, Geschäftsmodell

Die EZB beobachtet vor allem langfristige Trends. Banken mit strukturell hohen CoR über mehrere Jahre müssen ihr Geschäftsmodell überdenken.

Verhalten im Konjunkturzyklus

Cost of Risk folgt dem Konjunkturzyklus mit einer typischen Zeitverzögerung.

In Aufschwungphasen sinken die Risikokosten. Unternehmen und Privatpersonen können ihre Kredite bedienen. Banken bauen Provisions ab und profitieren von Eingängen aus abgeschriebenen Krediten.

In Abschwüngen steigen CoR deutlich. Die Wirkung zeigt sich in drei Wellen:

Phase 1: Frühindikatoren (3-6 Monate vor Rezession)

  • Forward-looking IFRS 9 Provisions steigen
  • Makro-Szenarien verschlechtern sich
  • Stage 1 und 2 Provisions erhöhen sich um 20-40%
  • Noch keine deutlichen Ausfälle sichtbar

Phase 2: Rezession (0-12 Monate)

  • Massive Anstiege der Stage 3 Provisions
  • Ausfallraten verdoppeln oder verdreifachen sich
  • CoR steigt um 50-150 bps über Normalniveau
  • NPL-Quoten steigen deutlich

Phase 3: Erholung (12-24 Monate nach Rezession)

  • Neuausfälle sinken wieder
  • Bestands-NPL werden abgebaut
  • CoR normalisiert sich langsam
  • Eingänge aus Verkäufen und Verwertungen steigen

Beispiel: Finanzk rise 2008-2010

Deutsche Banken zeigten folgendes Muster:

  • 2007: CoR 20-30 bps (normal)
  • 2008: CoR 60-80 bps (Frühindikatoren)
  • 2009-2010: CoR 150-250 bps (Rezession)
  • 2011-2013: CoR 40-60 bps (Erholung)
  • 2014+: CoR 20-40 bps (Normalisierung)

Die Finanzkrise trieb CoR auf das 5-8fache des Normalniveaus. Einige Banken erreichten über 300 bps und benötigten staatliche Unterstützung.

COVID-19 Pandemie 2020:

Das Muster war anders. CoR stiegen 2020 auf 80-120 bps durch IFRS 9 Forward-Looking-Effekte. Aber massive staatliche Hilfen verhinderten Massenausfälle. 2021-2022 normalisierten sich CoR schnell wieder auf 30-50 bps.

Forward-Looking vs. Incurred Loss Models

IFRS 9 hat die Risikovorsorge fundamental verändert.

Vor IFRS 9 galt das Incurred Loss Model. Banken bildeten Provisions erst bei objektiven Hinweisen auf Wertminderung. Das bedeutete: Provisions entstanden spät, oft erst bei tatsächlichem Ausfall.

Incurred Loss Probleme:

  • Provisions "too little, too late"
  • Prozyklisches Verhalten verstärkte Krisen
  • Keine Vorsorge für sich verschlechternde Portfolios
  • Aufsichtskritik nach Finanzkrise 2008

IFRS 9 führte Expected Credit Loss (ECL) ein.

Banken müssen nun erwartete Verluste über die Restlaufzeit berücksichtigen. Das erfolgt forward-looking basierend auf makroökonomischen Szenarien.

ECL-Vorteile:

  • Frühzeitige Risikoerkennung
  • Antizyklische Wirkung durch Provisions in guten Zeiten
  • Transparenz über Portfolioqualität
  • Bessere Kapitalplanung

ECL-Herausforderungen:

  • Höhere Volatilität der CoR
  • Komplexe Modellierung erforderlich
  • Subjektivität bei Szenario-Wahl
  • Management Overlays für außergewöhnliche Ereignisse

Die Umstellung von Incurred auf ECL erhöhte CoR dauerhaft um 10-20 bps. Banken halten nun höhere Provisions für performing Kredite (Stage 1 und 2). Das reduziert verfügbares Kapital, erhöht aber Stabilität.

Praktische Auswirkungen auf CoR:

  • Volatilität steigt um 20-30%
  • Frühere Reaktion auf Konjunkturänderungen
  • Stage-Transfers beeinflussen CoR quartalsweise stark
  • Modell-Updates können CoR um 10-30 bps verändern

Aufsichtsbehörden fordern robuste ECL-Modelle. Banken mit schwachen Modellen müssen nachbessern oder erhalten höhere Kapitalpuffer.

Einfluss von Zinsen und Wirtschaftslage

Zinsen wirken zweischneidig auf Cost of Risk.

Niedrigzinsphase (2015-2022):

  • Schuldendienst bleibt tragbar trotz hoher Verschuldung
  • Zombifizierung: Schwache Schuldner überleben künstlich
  • Immobilienpreise steigen, Sicherheiten werthaltig
  • CoR niedrig (20-40 bps für viele deutsche Banken)

Zinswende (2022+):

  • Schuldendienst steigt massiv bei variablen Krediten
  • Refinanzierungsrisiko bei Anschlussfinanzierungen
  • Immobilienpreise sinken, Beleihungsausläufe steigen
  • CoR steigen um 10-30 bps

Die Zinserhöhungen der EZB seit 2022 zeigen verzögerte Wirkung.

Kredite mit langen Zinsbindungen (10+ Jahre) bleiben stabil. Aber Unternehmenskredite und variable Hypotheken spüren den Druck. 2024-2025 wird kritisch für Anschlussfinanzierungen.

Wirtschaftslage-Indikatoren und CoR-Impact:

IndikatorVeränderungCoR-ImpactZeithorizont
BIP-1%+15-25 bps6-12 Monate
Arbeitslosigkeit+1%+10-20 bps3-9 Monate
Zinsen+1%+5-15 bps12-24 Monate
Immobilienpreise-10%+10-25 bps12-18 Monate

Die Wirkungen addieren sich. In einer Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit UND Zinsschock können CoR um 50-80 bps über Normal steigen.

Sektorspezifische Sensitivitäten:

  • Immobilien: Hoch sensitiv auf Zinsen und Wirtschaftslage
  • Einzelhandel: Abhängig von Konsum und Online-Konkurrenz
  • Industrie: Zyklisch, Export-Abhängigkeit
  • Energie: Volatil durch Rohstoffpreise
  • Gastronomie: Extrem sensitiv auf Konsumklima

Banken überwachen diese Sektoren eng und passen Provisions proaktiv an.

Strategische Steuerungshebel

Banken können ihre Risikokosten aktiv beeinflussen.

Die Steuerung erfordert einen Mix aus präventiven und reaktiven Maßnahmen. Erfolgreiche Banken investieren frühzeitig in Risikosteuerung.

Präventive Maßnahmen:

  • Strengere Underwriting-Standards: Höhere Anforderungen an Bonität und Sicherheiten
  • Frühwarnsysteme: Automatische Identifikation gefährdeter Kredite
  • Portfolio-Diversifikation: Begrenzung von Branchen- und Regionalkonzentrationen
  • Pricing für Risiko: Höhere Margen für risikoreichere Segmente
  • Covenant Monitoring: Laufende Überwachung von Kreditvereinbarungen

Reaktive Maßnahmen:

  • Workout-Teams für Stage 2: Intensive Betreuung gefährdeter Kredite
  • NPL-Verkäufe: Abbau notleidender Bestände
  • Restrukturierungen: Anpassung von Konditionen bei vorübergehenden Problemen
  • Intensivierung Sicherheitenverwertung: Beschleunigte Verwertung
  • Portfolio-Hedging: Kreditderivate für Großengagements

Die Wirkung dieser Maßnahmen zeigt sich oft erst mit 12-24 Monaten Verzögerung.

Best Practices führender Banken:

  1. Dynamische Risikostrategie: Anpassung der Kreditstandards an Konjunktur
  2. Stage 2 Management: Dedizierte Teams verhindern Stage 3 Transfers
  3. Datengetriebene Steuerung: KI-basierte Früherkennung von Risiken
  4. Aktives Provisioning: Provisions auch in guten Zeiten aufbauen
  5. Kontinuierliches Monitoring: Quartalsweise Szenario-Updates

Die Aufsicht beobachtet Steuerungsmaßnahmen genau. Zu aggressive Lockerung von Standards in guten Zeiten wird kritisch gesehen. Die EZB fordert antizyklisches Verhalten.

Kosten vs. Nutzen der Steuerung:

  • Strengere Standards reduzieren Volumen um 10-20%
  • Aber CoR sinken um 20-40 bps
  • Frühwarnsysteme kosten 1-3 Mio. € jährlich
  • Aber verhindern Ausfälle im zweistelligen Millionenbereich

Die Investition in Risikosteuerung zahlt sich langfristig aus. Banken mit sophistizierter Steuerung haben 30-50% niedrigere CoR-Volatilität.

Häufig gestellte Fragen

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Das BanktrackPRO Redaktionsteam besteht aus Finanzexperten und Datenanalysten, die sich auf deutsche Bankprodukte und Zinsentwicklungen spezialisiert haben.

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