
Cost of Deposits als Refinanzierungskennzahl verstehen
Die Cost of Deposits zeigt die Effizienz der Einlagenbeschaffung. Lernen Sie Berechnung, Optimierung und strategische Bedeutung für die Banksteuerung kennen.
Cost of Deposits als Refinanzierungskennzahl verstehen
Wie teuer ist das Geld, das Kunden der Bank anvertrauen?
Die Cost of Deposits beantworten diese zentrale Frage der Banksteuerung. In Zeiten steigender Zinsen wird diese Kennzahl zum kritischen Erfolgsfaktor. Wer seine Einlagenkosten nicht im Griff hat, gefährdet die Profitabilität.
Nach Jahren der Nullzinspolitik erleben Banken eine Renaissance des Einlagenmanagements. Die Cost of Deposits stiegen von nahezu null auf teilweise über 2,5%. Zeit, genauer hinzuschauen.
Was Cost of Deposits misst
Cost of Deposits quantifiziert die durchschnittlichen Kosten für Kundeneinlagen.
Die Kennzahl umfasst alle Zinsaufwendungen für Sicht-, Termin- und Spareinlagen. Sie zeigt, wie viel eine Bank zahlen muss, um sich über Kundengelder zu refinanzieren. Ein direkter Indikator für die Effizienz des Passivgeschäfts.
Die Grundformel:
Cost of Deposits = (Zinsaufwand Einlagen / Ø Einlagenvolumen) × 100
Eingeschlossene Komponenten:
- Girokonto-Zinsen (oft null, aber volumenstark)
- Tagesgeld-Zinsen (variabel, liquiditätsnah)
- Festgeld-Zinsen (fix, planbar)
- Sparbuch-Zinsen (traditionell niedrig)
- Prämien und Boni (Neukundenaktionen)
Nicht enthalten sind:
- Eigenkapitalkosten
- Wholesale-Funding (Kapitalmarkt)
- Zentralbankfinanzierung
- Derivate und Sicherungsgeschäfte
Die Cost of Deposits sind ein Spiegelbild der Marktdynamik. Sie reagieren auf Zentralbankpolitik, Wettbewerb und Kundenverhalten. Eine Bank mit niedrigen Cost of Deposits hat einen Wettbewerbsvorteil bei der Kreditvergabe.
Berechnung mit Praxisbeispiel
Analysieren wir die Einlagenstruktur einer typischen Regionalbank.
Jahresübersicht 2023:
| Einlagenart | Volumen (Mio. €) | Zinssatz | Zinsaufwand (Mio. €) |
|---|---|---|---|
| Girokonten | 1.200 | 0,0% | 0,0 |
| Tagesgeld | 800 | 1,5% | 12,0 |
| Festgeld 1 Jahr | 400 | 2,8% | 11,2 |
| Festgeld 3 Jahre | 300 | 3,2% | 9,6 |
| Sparbücher | 200 | 0,5% | 1,0 |
| Premium-Konten | 100 | 2,0% | 2,0 |
| Summe | 3.000 | - | 35,8 |
Berechnung Cost of Deposits: CoD = (35,8 / 3.000) × 100 = 1,19%
Die Bank zahlt durchschnittlich 1,19% für ihre Kundeneinlagen. Im Marktvergleich ein solider Wert, getrieben durch hohen Girokonto-Anteil (40% kostenfrei).
Quartalsweise Entwicklung:
- Q1: 0,85% (vor EZB-Erhöhung)
- Q2: 1,05% (erste Anpassungen)
- Q3: 1,25% (Wettbewerbsdruck)
- Q4: 1,45% (Jahresendgeschäft)
Der Trend zeigt deutlich nach oben. Kunden wandern von Girokonten zu Tagesgeld, fordern höhere Festgeldzinsen. Die Cost of Deposits stiegen um 70 Basispunkte binnen eines Jahres.
Produktmix-Effekt:
Verschiebung 100 Mio. € von Girokonto (0%) zu Festgeld (2,8%):
- Zusätzliche Kosten: 2,8 Mio. € jährlich
- CoD-Anstieg: +9 Basispunkte
Kleine Verschiebungen, große Wirkung.
Marktvergleich und Benchmarks
Cost of Deposits variieren stark nach Geschäftsmodell und Kundenstruktur.
Deutsche Bankengruppen 2024:
| Institutstyp | Cost of Deposits | Charakteristik |
|---|---|---|
| Sparkassen | 0,8 - 1,5% | Starke Girokonto-Basis, regional verankert |
| Genossenschaftsbanken | 0,9 - 1,6% | Treue Kundenbasis, moderate Preise |
| Großbanken | 1,0 - 2,0% | Mix aus Retail und Wholesale |
| Privatbanken | 0,5 - 1,2% | Vermögende Kunden, Beziehung vor Zins |
| Direktbanken | 1,5 - 2,8% | Preisaggressive Online-Angebote |
| Autobanken | 2,0 - 3,5% | Höchste Zinsen, reine Anlageprodukte |
Internationale Perspektive:
- USA: 1,5 - 3,0% (höhere Zinsniveaus)
- UK: 1,2 - 2,5% (starker Wettbewerb)
- Japan: 0,0 - 0,2% (Negativzins-Erbe)
- Schweiz: -0,5 - 0,5% (teilweise negative Einlagenzinsen)
Historische Entwicklung Deutschland:
- 2015-2020: 0,0 - 0,3% (Nullzinsphase)
- 2021: 0,1 - 0,4% (Verwahrentgelte)
- 2022: 0,3 - 1,0% (Zinswende beginnt)
- 2023: 0,8 - 2,0% (Normalisierung)
- 2024: 1,0 - 2,5% (Wettbewerb intensiviert)
Die EZB-Politik dominiert. Mit jedem Leitzinsschritt steigen die Cost of Deposits um 30-50% des Zinsschritts. Die Transmission ist unvollständig, aber spürbar.
Einflussfaktoren:
- Marktumfeld: Zinsniveau, Inflationserwartungen
- Wettbewerb: Online-Broker, FinTechs, Auslandsbanken
- Kundenstruktur: Privat vs. Firmenkunden
- Produktmix: Anteil zinsloser Einlagen
- Marke: Vertrauen erlaubt niedrigere Zinsen
Optimierungsstrategien
Cost of Deposits zu managen ist Kunst und Wissenschaft zugleich.
Produktmix-Optimierung:
Ziel: Maximaler Anteil günstiger Einlagen. Die Commerzbank steigerte den Girokonto-Anteil von 35% auf 42% durch Bündelangebote. Cost of Deposits sanken um 20 Basispunkte.
Operative Konten sind Gold wert. Gehaltskonto, Zahlungsverkehr, Daueraufträge – diese Gelder sind preisstabil. Banken bieten Gratiskonten gegen Gehaltseingang.
Preisdifferenzierung:
Nicht jeder Kunde erhält denselben Zins. Segmentierung nach:
- Gesamtvolumen (Mengenrabatt umgekehrt)
- Produktnutzung (Vielnutzer-Bonus)
- Neugeschäft (Bestandskunden-Privileg)
- Region (Wettbewerbsanpassung)
Die Sparkasse München differenziert Tagesgeldzinsen in 5 Stufen. Spread: 80 Basispunkte zwischen höchster und niedrigster Stufe.
Kundenbindung stärken:
Wechselbarrieren erhöhen, Preissensitivität senken:
- Multibanking erschweren
- Services bündeln
- Emotionale Bindung aufbauen
- Wechselkosten transparent machen
Studien zeigen: Hauptbankverbindung senkt Preissensitivität um 40%. Kunden akzeptieren 30-50 Basispunkte niedrigere Zinsen.
Alternative Refinanzierung:
Einlagen sind nicht alles. Mix diversifizieren:
- Covered Bonds (günstig bei guten Assets)
- EZB-Tender (volumenstark, planbar)
- Interbankmarkt (kurzfristig flexibel)
- Kundenanleihen (Marketing-Effekt)
Die DKB refinanziert nur 60% über Einlagen, Rest über Kapitalmarkt. Flexibilität bei steigenden Einlagenkosten.
Digitale Effizienz:
Online-Einlagen sind günstiger:
- Keine Filialkosten
- Automatisierte Prozesse
- Skalierbare Systeme
- Direktvertrieb
Reine Online-Angebote haben 30-40% niedrigere Gesamtkosten trotz höherer Zinsen.
Verbindung zu Profitabilitätskennzahlen
Cost of Deposits beeinflussen direkt die Ertragslage.
Die Net Interest Margin (NIM) leidet unter steigenden Einlagenkosten. Formel: NIM = Aktivzins - Passivzins. Wenn Cost of Deposits schneller steigen als Kreditzinsen, schrumpft die Marge. 2023 sank die durchschnittliche NIM deutscher Banken um 15 Basispunkte.
Der Return on Assets (ROA) korreliert negativ. Höhere Refinanzierungskosten schmälern den Gewinn. Faustformel: 50 Basispunkte höhere CoD reduzieren ROA um 10-15 Basispunkte.
Die Cost-Income-Ratio verschlechtert sich indirekt. Zinsaufwand zählt nicht zu operativen Kosten, aber sinkende Margen zwingen zu Kostensenkungen. Teufelskreis: Höhere CoD → niedrigere Erträge → Kostendruck → Serviceabbau → Kundenverlust.
Liquidity Coverage Ratio (LCR) beeinflusst Cost of Deposits. Stabile Einlagen (niedrig verzinst) zählen positiv, volatile Einlagen (hoch verzinst) negativ. Regulatorik favorisiert günstige Refinanzierung.
Die Funding-Strategie muss Cost of Deposits integrieren. Asset-Liability-Management (ALM) steuert die Balance zwischen Refinanzierungskosten und Ertragszielen. Moderne Banken simulieren hunderte Szenarien.
Erfolg hat, wer Cost of Deposits aktiv managt. Nicht reagieren, sondern agieren. Die Kennzahl ist kein Schicksal, sondern gestaltbar.
Häufig gestellte Fragen
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