6. EU-Geldwäscherichtlinie Anforderungen Compliance
Compliance & Governance
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Compliance

6. EU-Geldwäscherichtlinie (6AMLD): Neue Anforderungen für deutsche Banken

Umfassender Überblick über die 6. EU-Geldwäscherichtlinie: Erweiterte Straftatbestände, strafrechtliche Verantwortlichkeit und Umsetzung in Deutschland.

BanktrackPRO Team
5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4.11.2025
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Einleitung

Die 6. EU-Geldwäscherichtlinie (6AMLD, Richtlinie (EU) 2018/1673) trat am 3. Dezember 2020 in Kraft und musste bis zum 3. Dezember 2020 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie stellt einen Paradigmenwechsel dar: von präventiven Compliance-Pflichten hin zur strafrechtlichen Harmonisierung und verschärften Sanktionierung.

Kernziele der 6AMLD

Harmonisierung von Straftatbeständen

Primäres Ziel:

  • Einheitliche Definition von Geldwäsche in allen EU-Mitgliedstaaten
  • Schließung regulatorischer Lücken
  • Verhinderung von "Forum Shopping" durch Kriminelle
  • Erleichterung grenzüberschreitender Strafverfolgung

Erweiterte Vortaten

Die 6AMLD erweitert die Liste der Vortaten (predicate offences) auf 22 Kategorien.

Die 22 Vortatenkategorien

Vollständiger Katalog:

  1. Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung
  2. Terrorismus und Terrorismusfinanzierung
  3. Menschenhandel und Schleusung
  4. Sexuelle Ausbeutung (inkl. Kinderpornografie)
  5. Illegaler Drogenhandel
  6. Illegaler Waffenhandel
  7. Illegaler Handel mit gestohlenen Gütern
  8. Korruption und Bestechung
  9. Betrug
  10. Geldfälschung
  11. Produkt- und Markenpiraterie
  12. Umweltkriminalität
  13. Mord und schwere Körperverletzung
  14. Entführung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme
  15. Raub und Diebstahl
  16. Schmuggel
  17. Steuerstraftaten (inkl. Umsatzsteuer)
  18. Erpressung
  19. Urkundenfälschung
  20. Piraterie
  21. Insiderhandel und Marktmanipulation
  22. Cyberkriminalität (neu)

Wesentliche Neuerungen:

  • Cyberkriminalität als eigenständige Kategorie
  • Steuerdelikte (direkte und indirekte Steuern)
  • Erweiterung auf alle schweren Straftaten mit Mindestfreiheitsstrafe von über einem Jahr

Self-Laundering (Selbstgeldwäsche)

Konzept

Definition: Die 6AMLD stellt erstmals explizit klar, dass Selbstgeldwäsche (Self-Laundering) strafbar ist.

Bedeutung:

  • Täter der Vortat kann sich auch der Geldwäsche schuldig machen
  • Keine Notwendigkeit der Beteiligung Dritter
  • Verschärfung der strafrechtlichen Verfolgung

Beispiel: Ein Steuerhinterzieher, der unrechtmäßig erlangte Gelder in Immobilien investiert, begeht nicht nur Steuerhinterziehung, sondern auch Geldwäsche.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen

Corporate Criminal Liability

Kernprinzip: Nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen (Unternehmen) können strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Haftungsvoraussetzungen:

  • Straftat wurde zu Gunsten der juristischen Person begangen
  • Von einer Person in Führungsposition oder
  • Aufgrund mangelnder Aufsicht/Kontrolle durch Führungspersonal

Sanktionen für Unternehmen

Strafmaßnahmen:

  • Strafrechtliche Sanktionen (nicht nur administrativ)
  • Geldstrafen (Art. 5 6AMLD)
  • Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen
  • Gerichtliche Überwachung
  • Vorläufige/endgültige Schließung
  • Entzug von Lizenzen

Mindestanforderungen an Geldstrafen:

  • Müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein
  • Nationale Umsetzung bestimmt konkrete Höhe

Verschärfte Strafen

Freiheitsstrafen

Mindeststrafmaß:

  • Geldwäsche: Mindestens 4 Jahre Freiheitsstrafe (maximum penalty)
  • Mitgliedstaaten können höhere Strafen vorsehen
  • Bei erschwerenden Umständen: Höhere Strafen

Erschwerende Umstände:

  • Begehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung
  • Wiederholungstäter
  • Amtsträger/Personen mit besonderer Verantwortung

Vermögensabschöpfung

Extended Confiscation:

  • Erweiterte Möglichkeiten zur Einziehung von Vermögenswerten
  • Auch bei Nichtverfügbarkeit direkter Taterlöse
  • Einziehung gleichwertiger Vermögenswerte

Grenzüberschreitende Zuständigkeit

Jurisdiktionsprinzipien

Erweiterte Zuständigkeiten:

PrinzipBeschreibungBeispiel
TerritorialprinzipTat im Hoheitsgebiet begangenGeldwäsche in Deutschland
AktivprinzipTäter ist StaatsangehörigerDeutscher begeht Geldwäsche im Ausland
PassivprinzipOpfer ist StaatsangehörigerDeutsches Opfer von Geldwäsche im Ausland

Bedeutung:

  • Schließung von Strafbarkeitslücken
  • Verhinderung von "Safe Havens"
  • Erleichterung internationaler Kooperation

Umsetzung in Deutschland

Gesetzliche Änderungen

Zweites Gesetz zur Umsetzung der 6AMLD (Juni 2021):

Änderungen im GwG:

  • Anpassung der Vortaten-Definition (§ 261 StGB)
  • Klarstellung zur Selbstgeldwäsche
  • Verschärfung von Sanktionen

Änderungen im StGB:

  • § 261 StGB (Geldwäsche) erweitert
  • Erweiterung auf Steuerstraftaten
  • Klarstellung zu Cyberkriminalität

Praktische Auswirkungen

Für Banken:

  1. Erweiterte Risikoanalyse: Berücksichtigung aller 22 Vortatenkategorien
  2. Verschärftes Monitoring: Besondere Aufmerksamkeit auf Steuerstraftaten und Cybercrime
  3. Enhanced Due Diligence: Bei Geschäftsbeziehungen mit erhöhtem Risiko
  4. Schulung: Mitarbeiter zu neuen Tatbeständen sensibilisieren

Spezifische Herausforderungen

Steuerstraftaten als Vortat

Implikationen:

  • Alle Steuerstraftaten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Einkommensteuer)
  • Auch grenzüberschreitende Steuerdelikte (z.B. Karussellbetrug)
  • Niedriger Schwellenwert (Steuerhinterziehung ab gewisser Höhe)

Risikobereich:

  • Cash-intensive Geschäfte
  • Grenzüberschreitende Transaktionen
  • Komplexe Unternehmensstrukturen in Steueroasen

Cyberkriminalität

Relevante Delikte:

  • Ransomware-Angriffe (Lösegeld-Zahlungen)
  • Kryptowährungs-Diebstahl
  • Datendiebstahl und -handel
  • BEC-Fraud (Business Email Compromise)

Banken als Intermediäre:

  • Zahlungsabwicklung von Ransomware-Lösegeldern
  • Umtausch von Kryptowährungen
  • Verdächtige Transaktionsmuster erkennen

Compliance-Maßnahmen

Risikoanalyse

Aktualisierung erforderlich:

  • Integration der 22 Vortatenkategorien
  • Spezifische Szenarien für Steuerstraftaten
  • Indikatoren für Cybercrime
  • Selbstgeldwäsche-Konstellationen

Transaktionsmonitoring

Neue Szenarien:

  • Verdachtsmomente für Steuerdelikte (z.B. Umsatzsteuerkarusselle)
  • Ransomware-Zahlungen (Kryptowährungen)
  • Ungewöhnliche IT-Dienstleistungszahlungen
  • Zahlungen an Hochrisiko-Jurisdiktionen

Schulung und Awareness

Schulungsinhalte:

  1. Überblick über 6AMLD-Änderungen
  2. Neue Vortatenkategorien im Detail
  3. Typologien für Cybercrime
  4. Steuerdelikte erkennen
  5. Rechtliche Konsequenzen (strafrechtlich!)

Governance

Organisatorische Anpassungen:

  • Aktualisierung von Policies und Procedures
  • Eskalationswege bei Verdachtsfällen
  • Zusammenarbeit mit Steuerbehörden
  • Cyber-Threat-Intelligence einbinden

Internationale Perspektive

Zusammenspiel mit FATF

Die 6AMLD setzt zahlreiche FATF-Empfehlungen um:

  • Recommendation 3: Criminalisation of Money Laundering
  • Recommendation 5: Criminalisation of Terrorist Financing
  • Recommendation 6: Targeted Financial Sanctions

Vergleich mit anderen Jurisdiktionen

USA:

  • Bereits umfassende Vortatenkataloge
  • Corporate Criminal Liability seit Jahrzehnten etabliert
  • Deferred Prosecution Agreements (DPAs) als Instrument

UK:

  • Proceeds of Crime Act (POCA) ähnlich weitreichend
  • Corporate Failure to Prevent-Regime (seit 2017)

Best Practices

  1. Proaktive Risikoanalyse: Nicht warten, bis Fälle auftreten
  2. Cross-funktionale Zusammenarbeit: Compliance, Tax, Cyber, Legal
  3. Technologie nutzen: KI für erweiterte Muster-Erkennung
  4. Regelmäßige Audits: Jährliche Überprüfung der 6AMLD-Compliance
  5. Externe Expertise: Bei komplexen Fällen (Steuern, Cyber) Spezialisten einbinden

Fazit

Die 6. EU-Geldwäscherichtlinie markiert einen bedeutenden Schritt hin zu einem harmonisierten, strafrechtlich orientierten AML-Regime in Europa. Für Banken bedeutet dies:

  • Erweiterte Compliance-Pflichten durch 22 Vortatenkategorien
  • Höhere strafrechtliche Risiken (persönlich und institutionell)
  • Notwendigkeit robuster Prozesse, insbesondere für Steuerstraftaten und Cybercrime
  • Investitionen in Technologie und Personal

Die konsequente Umsetzung der 6AMLD-Anforderungen ist nicht nur regulatorische Pflicht, sondern schützt auch vor erheblichen rechtlichen und Reputationsrisiken.

BanktrackPRO Team

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Redaktion

Das BanktrackPRO Redaktionsteam besteht aus Finanzexperten und Datenanalysten, die sich auf deutsche Bankprodukte und Zinsentwicklungen spezialisiert haben.

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